Wasser als Bombe
Bereits heute sehen viele Länder im Wasser eine strategische Ressource. In Zukunft wird seine Bedeutung in den Beziehungen zwischen Staaten noch wachsen.

Folgen für die Weltpolitik

Krieg ums Wasser?

Hollywood hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach des Themas Wasser angenommen. Von „Chinatown“ aus dem Jahr 1974 bis „Erin Brockovich“ (2000) ging es um skrupellose Geschäftemacher, die aus der knappen Ressource Profit ziehen oder das Grundwasser verseuchen. 2008 kämpfte James Bond in „Ein Quantum Trost“ gegen ein kriminelles Syndikat, das in Bolivien die Wasserinfrastruktur aufkauft. Die düsteren Visionen des Kinos spiegeln die Fragen vieler Menschen wider: Was passiert, wenn Wasser tatsächlich einmal nicht mehr ausreichend verfügbar wäre oder durch Verschmutzung ungenießbar würde? Gibt es dann Krieg?

Das International Resource Panel des Umweltprogramms der Vereinten Nationen sagt eine düstere Zukunft voraus. Bis zum Jahr 2030 werde knapp die Hälfte der Menschheit unter Wasserstress leiden. Dies bedeute, dass etwa vier Milliarden Menschen mit weniger als einer Million Liter Wasser pro Jahr und Kopf auskommen müssen. Klingt viel, bedeutet aber, dass aufgrund des hohen Wasserverbrauchs der Landwirtschaft in weiten Teilen der Welt mehr Wasser benötigt wird, als vorhanden ist – insbesondere in den heißen Sommermonaten. Dazu kommt eine sinkende Wasserqualität.

Wasserkrise ist Frage der Landwirtschaft

Um dies zu veranschaulichen, muss man Wasser ein wenig näher beleuchten. Wir trinken jeden Tag zwei bis drei Liter Wasser. In OECD-Ländern verbrauchen die Bürger 120 bis 150 Liter, zum Kochen, Duschen, Waschen – pro Tag. Der Löwenanteil steckt jedoch in unserer Nahrung. So verbraucht ein Durchschnittsbürger zwischen 2.500 und 5.000 Liter Wasser pro Tag – je nach Fleischappetit. Dieser auch „virtueller Wasserkonsum“ genannte Verbrauch findet auf unseren Esstischen statt. Dazu kommt die Frage des tatsächlichen Wasserkonsums. Während unser Trink-, Koch- und Duschwasser nur wenig verdunstet, verbrauchen Pflanzen Wasser durch Evapotranspiration. Übersetzt bedeutet dies, dass man kein Wasser spart, wenn man nur 30 Sekunden duscht, da nur wenig Wasser evaporiert. Folgenreicher ist das morgendliche Mettbrötchen, denn die Futtermittel der Nutztiere sind gigantische Wasserkonsumenten. Die Wasserkrise ist somit eine Frage der Landwirtschaft: 99 Prozent unserer Wasserressourcen werden von Pflanzen konsumiert, die wir für unser täglich Brot und das der Nutztiere brauchen. Deshalb sind insbesondere Länder mit viel Landwirtschaft mögliche Konfliktgebiete. Ist Wasser also, wie viele Analysten meinen, das neue Öl?

Umstrittene Abkommen

Schon heute sehen wir weltweit Wasserhotspots, an denen Wasserressourcen sehr knapp werden. Meist spielt die Bewässerungslandwirtschaft dabei eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel betrifft dies Oberflächengewässer wie den Aralsee in Zentralasien, der seit den 1970ern fast komplett verschwunden ist. Der Grund dafür liegt im Anbau von Baumwolle, die mit Aralsee- Wasser bewässert worden ist. Zudem gibt es die Frage der grenzüberschreitenden Gewässer. Dies betrifft insbesondere Flüsse. Ägypten ist dabei eines der am stärksten betroffenen Länder. Das seit Jahrtausenden äußerst fruchtbare Nildelta im Norden des Landes lebt vom zweitlängsten Fluss der Welt. 84 Milliarden Kubikmeter Wasser fließen jedes Jahr den Nil herunter, die laut dem Nilvertrag von 1959 zwischen Ägypten und Sudan im Verhältnis 80 zu 20 aufgeteilt worden sind, da der Norden des Nilbeckens keinen Niederschlag bekommt, sondern nur der Süden. Dieses Abkommen war jedoch schon immer umstritten, insbesondere weil die Oberlaufstaaten die Ernährung ihrer Bürger durch eine moderne Bewässerungslandwirtschaft sichern wollten. Deshalb hat Ägypten den Nil zu einer strategischen Ressource ernannt, für die das Land im Zweifel auch Krieg führen würde.

Klimawandel – mancherorts mehr Dürre

Grundwasser sackt weltweit ab und wird immer mehr zur Krisenressource. Die Erweiterung der Bewässerungslandwirtschaft weltweit durch die Nutzung von Grundwasser hat für fallende Pegel auf der gesamten Erde gesorgt. Bekannteste Beispiele sind die Punjab-Region in Indien sowie der Mittlere Westen und der Westen der USA. Das Grundwasser in Punjab ist um bis zu 65 Prozent abgesunken, da Hunderttausende Kleinbauern damit wasserintensiven Reis bewässern. Der Ogallala-Aquifer, ein Grundwasserreservoir, das die Bewässerungslandwirtschaft in den US-Bundesstaaten South Dakota, Nebraska, Wyoming, Colorado, Kansas, Oklahoma, New Mexico und Texas versorgt, ist zwischen den Jahren 2001 und 2011 kumulativ genauso stark gesunken wie im gesamten 20. Jahrhundert. Obwohl sich der Grundwasserspiegel seit 2011 leicht erholt hat, würde es 6.000 Jahre dauern, bis sich der einmal ausgetrocknete Aquifer auf natürlichem Weg durch Regen wieder auffüllen könnte.

Hinzu kommt der Klimawandel. Eine höhere Variabilität von Niederschlag wird eine seiner wichtigsten Konsequenzen sein. Forscher der englischen Universität Reading beobachten einen Trend, dass feuchte Regionen mehr Niederschlag erhalten werden. Andere, schon heute recht trockene Regionen wie der Nahe Osten oder das Horn von Afrika werden im Zuge des Klimawandels mehr Dürren erleben – mit all den möglichen Konsequenzen für Migration und interne Konflikte.

Ein weiteres Problem ist die absinkende Wasserqualität. In Deutschland beobachten Forscher und Ministerien eine hohe Nitratbelastung des Grundwassers, da Düngemittel das Wasser verschmutzen. Ein Luxusproblem im Vergleich zu China, wo 80 Prozent des Grundwassers derart stark kontaminiert sind, dass der Verzehr für Menschen nicht mehr ohne Gesundheitsrisiko garantiert werden kann. Ein Fall, der selbst Erin Brockovich überfordern würde.

Wasser wird also knapper, schmutziger und umkämpfter. Die „James Bond“-Drehbuchautoren ließen sich von den Wasserkonflikten in Bolivien inspirieren, die im Jahr 2000 Schlagzeilen machten. Wegen geringeren Niederschlags aufgrund klimatischer Veränderungen und schlechten Managements der Wasserinfrastruktur erhöhten Wasserbetreiber die Preise um bis zu 300 Prozent. Vorausgegangen war die Privatisierung der Wassernetze auf Druck der Weltbank. Der Markt sollte die knapperen Ressourcen regeln und besser einpreisen. Als Ergebnis gab es monatelang Aufstände mit mehreren Toten, bis die Regierung die Privatisierung zurücknahm und selbst in die Wasserinfrastruktur investierte.

Wird es in den nächsten Jahrzehnten also bolivianische Verhältnisse in vielen Ländern der Erde geben? Auch wenn in Subsahara-Afrika viele Tote zu beklagen sind, da Kleinbauern um den Zugang zu Wasserressourcen kämpfen, ist das Szenario von Wasserkriegen übertrieben. Wasser ist dank Niederschlag eine erneuerbare Ressource. Deshalb sind Panzer, die Flüsse bewachen werden, sehr unwahrscheinlich. Außerdem gibt es sowohl Möglichkeiten für eine effektivere Nutzung unserer weltweiten Wasserressourcen als auch für eine bessere Kooperation zwischen Wassernutzern.

»Wasser wird knapper und umkämpfter.«

Eine Chance für Innovationen

Die Wasserkrise ist eine Chance zur Kooperation zwischen Staaten – gerade solchen mit wenig ausgeprägten diplomatischen Beziehungen. Die Anrainerstaaten des Nils könnten viel mehr zusammen erreichen, wenn sie ihre Ressourcen supranational managen würden. Weltweit findet sich zudem ausreichend Expansionsspielraum für die Landwirtschaft in Osteuropa, Nordasien (Russland) und Subsahara-Afrika, da der Regenfall hoch ist und die Böden fruchtbar sind. Dafür braucht es aber einen freien und offenen Agrarhandel, durch den wasserarme Regionen wie der Nahe Osten oder aufstrebende Länder wie China und Indien ihre Nachfrage nach Lebensmitteln trotz heimischen Wassermangels befriedigen können. Dieser „virtuelle Wasserhandel“ ist alternativlos, wenn die wachsende Weltbevölkerung im Jahr 2050 ernährt werden soll.

Zudem ist die Wasserkrise eine Chance. Wir brauchen neue Technologien, um unsere Wasserressourcen besser zu managen und zu schonen, etwa dürreresistenteres Saatgut und computergesteuerte Präzisionsbewässerung von Fruchtpflanzen. Nötig sind auch Alternativen zum Hauptwasserfresser Fleisch. 70 Prozent der globalen landwirtschaftlich genutzten Fläche dienen der Fleischproduktion. In einem Kilogramm Rindfleisch stecken 16.000 Liter Wasser. Die Welt steht vor einem technologischen Wettlauf um Alternativen zu Fleisch. Für die Wasserressourcen der Erde wäre ein Erfolg dieser Technologien ein Segen, brauchen sie doch nur etwa ein Zehntel an Wasser zur Produktion der pflanzlichen Fleischalternativen. Für manchen ist es Betrug am Verbraucher, für andere eine entscheidende Innovation zur Vermeidung einer weltweiten Wasserkrise.

Martin Keulertz

ist Assistenzprofessor an der American University of Beirut. Der gebürtige Düsseldorfer hat zuvor in Großbritannien, den USA, Äthiopien und Berlin zu globalen und lokalen Wasserthemen gearbeitet.