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Ein Leben lang lernen

Der demografische Wandel macht sich auch an deutschen Universitäten bemerkbar. „Altern in Wissenschaft und Erfahrung“ heißt etwa der aktuelle Studiengang an der sogenannten Universität des 3. Lebensalters. Die Bildungsinstitution an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main richtet sich gezielt an ältere Studierende. Bereits vor 35 Jahren war die Frankfurter Universität eine der ersten, die ihre Hörsäle für bildungshungrige Senioren öffnete.

Anteil der über 60-Jährigen an allen Gaststudierenden in Deutschland, in Prozent

Heute sind die Angebote bundesweit so vielfältig und ihre Unterschiede so groß wie die Anzahl der Hochschulen. Der einfachste Weg ist ein Gaststudium: Gasthörer nehmen an ausgewählten Vorlesungen und Seminaren teil, dürfen allerdings keine Prüfungen ablegen. Rund 34.800 Gasthörer waren im Wintersemester 2015/2016 an deutschen Hochschulen immatrikuliert. Mehr als die Hälfte von ihnen war mindestens 60 Jahre alt.

Besonders beliebt bei den Studenten im Seniorenalter sind die Fächer Geschichte, Philosophie und Wirtschaftswissenschaften. Grundsätzlich steht zwar allen Menschen mit Abitur auch ein ordentliches Studium mit berufsqualifizierendem Abschluss offen. Diese Option wird von älteren Menschen aber nur vereinzelt wahrgenommen: Lediglich 0,2 Prozent der ordentlichen Studierenden hatten im Wintersemester 2014/2015 bereits das Rentenalter erreicht.

Einige Hochschulen bieten daher, ähnlich wie die Goethe-Uni, ein maßgeschneidertes Seniorenstudium, das nach etwa vier Semestern mit einer wissenschaftlichen Hausarbeit abgeschlossen und von der Hochschule zertifiziert wird. Ein Grund dafür, Alt und Jung zu trennen, ist die zunehmende Anzahl an Gasthörern in einzelnen Studienfächern, die ihren jungen Kommilitonen die Plätze im Hörsaal streitig machen könnten.

Was erwarten Sie sich vom Alter?

Johanna Uekermann, Juso-Vorsitzende

Ich erwarte, dass bis dahin alle Menschen von einem gerechten Rentensystem profitieren. Einem System, das nicht Jung gegen Alt ausspielt, sondern sozialen Ausgleich schafft, Altersarmut beseitigt.

Tom Cridland, Unternehmer und Modedesigner

Ich werde das Alter einfach als eine Zahl betrachten, denn ich bezweifle, dass ich dann weniger Lebensfreude haben werde. Vielmehr freue ich mich darauf, gemeinsam mit meiner Familie alt zu werden.

Shida Bazyar, Autorin des Romans „Nachts ist es leise in Teheran“

Ich würde gern auf diese politisch turbulente Phase zurückblicken und mir denken: Haben wir alles gut abgewehrt. Meine Sorge ist, dass ich das nicht behaupten kann.

Sven Schmidt-Rohr, CEO des Start-ups ArtiMinds

Wir stehen im Laufe der nächsten 50 Jahre vor einer technischen und sozialen Revolution wie seit 1870 bis 1920 nicht mehr. Daher ist die Zeit im Alter für unsere Generation absolut unvorhersehbar.

Samba ist Leidenschaft pur - für die Traditionalisten bedeutet er aber auch harte Arbeit.

Die Wächter des Samba

Die Wächter des Samba

Im November des vergangenen Jahres feierte der Samba seinen 100. Geburtstag. Dass er so lange durchgehalten hat, verdankt er vor allem der Velha Guarda.

Der Samba hat in seiner Geschichte viele Veränderungen und unterschiedliche Einflüsse erlebt. Seine hohe Beliebtheit kommt aber auch daher, dass sich einige Musiker immer wieder an seinen traditionellen Wurzeln orientieren. So begann in den Sechzigerjahren ein Umdenken in den Samba-Schulen, den Karnevalsvereinen von Rio: Erfahrung und Traditionsbewusstsein waren auf einmal wieder gefragt.

Und damit stieg auch die Bedeutung ihrer ältesten Mitglieder. Schließlich wusste niemand so viel über den Samba wie die Hochbetagten. So wurde zu dieser Zeit die Velha Guarda, wörtlich „alte Wache“, gegründet, um ehemalige Samba- Tänzer, Musiker und Sänger zusammenzubringen mit dem Ziel, die reichen Traditionen zu erhalten. Die Wurzeln des Samba sollten auch in Zukunft bewahrt, seine historisch gewachsenen Werte in die Gemeinden getragen werden.

Das Alter spielt schon beim Beitritt eine große Rolle: Um „Wächter des Samba“ zu werden, muss man über 50 Jahre alt, langjähriges Mitglied in einer Samba-Schule und dort in den letzten 25 Jahren aktiv gewesen sein. Für ihre traditionsbewusste Mission engagieren sich die Mitglieder im hohen Alter aktiv in den Verwaltungen der Schulen und beraten die Ausschüsse mit ihrer langjährigen Expertise.

In letzter Zeit ist die Velha Guarda so bekannt geworden, dass einige Mitglieder den Samba alter Schule sogar vor internationalem Publikum zum Besten geben, zum Beispiel in Österreich oder Deutschland.

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